Rusche Petersen
Gemeinsam mit der University of the Western Cape in Kapstadt haben wir ein Stipendienprogramm auf die Beine gestellt. Damit ermöglichen wir einem Studenten seinen Studienabschluss, der es sich mit eigenen finanziellen Mitteln nicht leisten könnte. Unser Stipendiat heißt Rusche Petersen und kommt aus dem Township Manenberg. Er konnte sich mit unserer Finanzierung im April 2020 offiziell in den Diplomstudiengang „Sport, Development and Peace“ einschreiben. Rusche ist ein beeindruckender junger Mensch mit einer bewegenden Geschichte, die er uns hier selbst erzählt.
Steckbrief
Name | Rusche Petersen |
Geburtstag | 14.04.1995 |
Sprachen | Afrikaans (Muttersprache), Englisch |
Geschwister | 3 |
Wohnort | Manenberg, Kapstadt |
Beschäftigung | Student (Sport, Development and Peace – University of the Western Cape) |
Ausbildung | BA Sport Science, Recreational and Exercise Science (UWC, 2014-2018) Abitur (Matric Endorsement), Phoenix Secondary in Manenberg Grundschule, Willows Primary in Heideveld |
Interessen | Sport (besonders Fußball, Rugby, Cricket und Tennis) Literatur Jugendarbeit |
Background
Mein Elternhaus ist in Manenberg, ein Township in Kapstadt. Ich habe während meiner Kindheit abwechselnd in Manenberg und dem Nachbarort Heideveld gewohnt. Ich bin erst kürzlich von Heideveld in mein Elternhaus in Manenberg zurückgezogen. Ich lebe dort gemeinsam mit meinem Vater, meiner Schwester, ihren vier Kindern und meinen zwei Brüdern. Man könnte sagen, dass es in meinem Zuhause ziemlich überfüllt ist, und vielleicht sogar die Frage stellen, wie ich trotzdem meinen Fokus für die Uni behalte. Die Wahrheit ist, dass mir das hilft, motiviert und entschlossen zu bleiben, damit ich dort einmal herauskomme.
Viele junge Leute aus den Townships sind so daran gewöhnt, schlimme Dinge zu sehen, dass sie glauben, dass dies der einzige Weg ist. Aber es gibt mehr im Leben – obwohl man nie vergessen sollte, wo man herkommt. Alles, was ich durchgemacht habe, hat die Person geprägt, die ich heute bin, und ich würde das für nichts ändern. Ich gebe zu, dass mein Leben nicht immer einfach war, aber es hätte auch schlimmer sein können. Manchmal führt dich das Leben auf andere Wege als den, den du geplant hast, aber das kann auch eine schöne Sache sein.
Rusche
Leider haben meine beiden Brüder schon lange Probleme mit Drogen. Persönlich habe ich nicht das Gefühl, dass ich bisher die beste Unterstützung von meiner Familie bekommen habe. Meine Brüder haben mich eher angestachelt, genauso zu werden wie sie, anstatt mir zu helfen, nicht die gleichen Fehler zu machen. Ich habe allerdings früh erkannt, dass nur ich selbst bestimmen kann, wer ich sein möchte, wo ich hin will und welches Leben ich leben möchte. Alles liegt bei mir und den Entscheidungen, die ich selbst treffe. Meine Brüder haben es meiner Familie jahrelang schwer gemacht – da war es keine Überraschung für mich, als meine Mutter irgendwann unter dem Stress zusammenbrach. Sie starb vor vier Jahren an einem Herzstillstand. Die Fehler meiner Brüder haben mich aber nur entschlossener gemacht, nicht so zu werden wie sie. Ich möchte meinen Kindern später einmal ein viel besseres Leben ermöglichen als das, das ich in meiner Kindheit hatte. Ich denke, ich bin auf einem guten Weg dorthin: Immerhin bin der erste aus meiner Familie, der zur Universität geht oder überhaupt einen Schulabschluss hat. Ich glaube, wenn ich mehr Unterstützung bekommen hätte, könnte ich jetzt schon weiter sein, aber alles hat seine Zeit.
Sport
Ich liebe viele Sportarten, vor allem Fußball, Rugby, Cricket, Tennis und jetzt auch Handball und Radfahren. Nachdem ich letztes Jahr als Dopingbegleiter am Absa Cape Epic teilgenommen hatte, wollte ich unbedingt mehr über die Welt des Radfahrens erfahren. Für mich als Sportwissenschaftler war es wohl nur natürlich, dass ich neugierig wurde. Ich wollte wissen, wie das alles funktioniert, wollte mehr über Faktoren wie Energieumwandlung wissen und die Unterschiede zwischen den guten und den wirklichen Spitzensportlern verstehen – die können so minimal sein und doch so große Auswirkungen haben! Zum Beispiel kann die Ernährung am Renntag den Unterschied zwischen einem Sieg und einem zweiten Platz ausmachen. Das finde ich faszinierend.
Von allen Sportarten muss ich sagen, dass ich Rugby und Fußball mehr als alles andere liebe, aber Sport generell war und ist schon immer mein Leben. Mein Superstar spielt tatsächlich in eurer Liga, Jadon Sancho. Ich bin ein großer Fan von Manchester United und hoffe, dass ich eines Tages ein Spiel in Old Trafford sehen kann – damit würde ein riesengroßer Traum wahr werden.
Interessen
Außer Sport habe ich aber auch noch sehr viele andere Interessen. Ich bin an dem Projekt „peace writers project“ beteiligt, bei dem junge Menschen die Möglichkeit bekommen, ihre Lebensgeschichte aufzuschreiben und zu veröffentlichen, was ich dankenswerterweise geschafft habe. Meine Geschichte war Teil der 50, die ausgewählt wurden und weltweit verbreitet werden. Ich bin außerdem Friedensbotschafter und Jugendleiter der internationalen Stiftung „Sport, Entwicklung und Frieden“. Ich bin derzeit auch in Gesprächen mit der Uni, ob ich dort neben meinem Studium als wissenschaftliche Hilfskraft arbeiten kann, was seit meinem letzten Jahr eine Leidenschaft für mich geworden ist. Ich würde außerdem gerne eine Fortbildung im Bereich Mental-Coaching machen. Mentale Stärke ist für mich das Ausschlaggebende, was die großartigen Menschen wirklich von anderen unterscheidet. Es macht dich in allem besser, in jedem Sport und in jedem Bereich des Lebens. Ich bin überzeugt, dass dies eine meiner Stärken ist, die mir auch in einigen sehr dunklen Zeiten geholfen hat. Vor ein paar Tagen wurde zum Beispiel einer meiner Freunde ermordet. So etwas kann einen wirklich mitnehmen, also musst du mental stark sein.
Die Hoffnung, Mentoren wie Kulu Manzi zu finden, die Menschen wie mir auf unserem Weg helfen und uns unterstützen, ist für mich eine große Motivation.
Noch mehr über Rusche und seine Entwicklung erfahrt ihr in den monatlichen Reporten.